Pico del Teide - Top of Teneriffa
Bei unserem ersten Besuch auf Teneriffa erleben wir den Teide auf seine eindrucksvollste Art. Wir wandern bis zur Seilbahnstation. Den Gipfelsturm schaffen wir leider nicht. Manfred hatte sich vor dem Urlaub eine Verletzung zugezogen und konnte sein gewohntes Sportprogramm nicht mehr absolvieren. Deshalb fehlte die nötige Kondition. Ein guter Bergsteiger dreht um, wenn er an seine Grenzen kommt und so verzichten wir 2005 auf die letzten 160 Höhenmeter zum Gipfel.
Der klassische Gipfelsturm mit der Seilbahn
Damit so was nicht noch mal passiert, machen wir es im Juni 2011 so wie die überwältigende Mehrheit der Teide-Besucher: Wir fahren mit der Seilbahn rauf und wollen nur den Gipfelsturm zu Fuß antreten. Mein Chef hat mich vor der Abreise noch gewarnt: Seilbahn-Touristen schaffen den Aufstieg häufig nicht, weil sie keine Zeit haben, sich an die Höhe zu akklimatisieren. Leider sollte er Recht behalten. Ich habe keinen besonders guten Tag und wache um 5 Uhr morgens bereits mit Kopfschmerzen auf. Die werden am Fuß des Teide auf 2.200 m nicht besser und auf 3.500 m wirklich stark. Zum Hämmern im Kopf kommen bald Schwindel und leichte Übelkeit dazu. Ich habe offensichtlich Probleme mit der ungewohnten Höhe.
Vermutlich hat uns auch 2005 die Höhe zu schaffen gemacht. Nur hat sich das damals nicht so deutlich gezeigt wie heute. Mir wird ziemlich schnell klar, dass ich Manfred den Gipfelsturm alleine überlassen muss. Manfred hat keine gesundheitlichen Probleme, muss es aber auch langsam angehen lassen. Ich drehe mehrfach um und quäle mich dann doch wieder ein paar Meter nach oben. Aufgeben ist so gar nicht mein Ding. Halbe Sachen mache ich normalerweise auch nicht. Aber es macht einfach keinen Sinn. Wie gesagt: Ein guter Bergsteiger dreht um, wenn es nicht mehr geht. Und zwar rechtzeitig, bevor es gar nicht mehr geht. Hier jemanden wieder runter zu kriegen, der unter massiven Kreislauf-Problemen leidet, ist sicher nicht ganz einfach.
Ein guter Bergwanderer dreht um, wenn es nicht mehr geht
Also drehe ich auf halber Strecke endgültig um. Ich suche mir einen komfortablen Platz mit schöner Aussicht und schaue zu, wie andere den steilen Aufstieg bewältigen. Bis auf ein junges Paar aus den Niederlanden sind alle sehr gut ausgerüstet: Bergschuhe, Wanderstöcke, Rucksack und warme und winddichte Kleidung. Die ist auch nötig. Dass es auch auf den Kanaren auf höheren Lagen manchmal ein bisschen windig werden kann, wissen wir schon von früheren Urlauben. 2006 müssen wir die Ruta de Volcanes abbrechen, obwohl wir noch einen Ranger nach den Bedingungen gefragt haben. Der "poco de viento en las regiones de altura" (ein bisschen Wind in höheren Lagen") stellt sich damals als Sturm mit orkanartigen Böen heraus. So schlimm ist es hier nicht. Sonst würde vermutlich die Seilbahn gar nicht mehr fahren. Mir reicht es trotzdem. Die Vorstellung, mich bei diesem Wind auf den recht luftigen Gipfel hoch zu quälen, bereitet mir noch mehr Kopfschmerzen als ich ohnehin schon habe. Übrigens kriege ich die auch für den Rest des Tages nicht mehr los. Irgendwann kommt Manfred wieder in Sicht. Wenigstens kann ich den Abstieg fotografisch dokumentieren, wenn schon nichts aus dem Gipfelfoto wird.
Gipfelerlebnis mit wenig Ausblick
Manfred tröstet mich, dass ich am Gipfel nicht besonders viel versäumt habe - außer ein paar unangenehmen Stellen und noch stärkerem Wind. Die geschlossenen Wolkendecke, die sich seit Tagen über die gesamten Inseln erstreckt, stört natürlich auch am höchsten Punkt der Kanaren. Die viel gerühmte Aussicht über die gesamten Kanaren und bis zur Westküste Afrikas ist heute eher mäßig. Das war zu erwarten. Den Blick auf den Krater des Pico Viejo hatte ich von meinem unfreiwilligen Rastplatz auch schon.
Auf dem Rückweg zur Seilbahn kommen uns weitere gut ausgerüstete Gipfelstürmer entgegen. An den Miradores rund um die Seilbahnstation herrscht der gewohnte Trubel. Bergschuhe und warme Kleidung sieht man hier kaum noch. Einige Damen benötigen die Unterstützung ihrer Begleiter. Allein wäre der etwas holprige Weg über unwegsame Lava-Felder in Stöckelschuhen und Riemchen-Sandalen kaum zu bewältigen. Der stramme Wind bläht so manches dünne Sommerkleid auf. Die würden sich auf den Flaniermeilen von Puerto de la Cruz und Santa Cruz sicher gut machen. Im alpinen Gelände ist so ein Outfit aber einfach völlig unpassend. Aber sie schaffen es alle.
Am Ende treffen wir alle an den Aussichtspunkten wieder. Und später natürlich an der Seilbahn, die uns in 12 Minuten wieder ins Tal bringt. Viel länger hätte die Fahrt nicht mehr dauern dürfen. Am Ende stehe ich kurz vor einem Kreislauf-Kollaps. Der Kreislauf kommt mit etwas Bewegung an der frischen Luft schnell wieder in Schwung. Spätestens jetzt ist mir klar, dass ich definitiv die richtige Entscheidung getroffen habe, als ich auf halbem Weg zum Gipfel umgedreht bin. So gibt es zwar kein Foto von Manfred am Gipfel. Aber die Fotos, die Manfred vom Gipfel und der darunter liegenden Wolkendecke geschossen hat, reichen eigentlich auch.